In 80 Prozent aller Hörgeräte steckt ein Stück Niedersachsen

Prof. Dr. Dr. Kollmeier über Hörforschung in Oldenburg

Weltweit gibt es 50 Millionen Hörgeräteträger

Oldenburg ist das Mekka der Hörforschung. In der Stadt gibt es ein großes Netzwerk an Hörforschungseinrichtungen, die national und international einen ausgezeichneten Ruf besitzen. Aufgebaut hat es Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier. Der renommierte Hörforscher und Netzwerker, der für seine Leistungen im Bereich Binaurale Hörgeräte mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet wurde, im Interview.

Herr Prof. Kollmeier, viele Menschen klagen über Lärm. Aber wenn es mal ruhig ist, stellen viele den Fernseher oder MP3-Player an. Halten wir Stille nicht aus?

Die akustische Information ist die wichtigste Information für die zwischenmenschliche Kommunikation. Insofern wird Stille oft als eine Art Informationsleere empfunden.

Worauf kommt es beim Hören an?

Das Wesentliche ist die Informationsreduktion. Auf uns wirkt  eine sehr große Vielfalt von Schallquellen ein. Wir nutzen unser Gehör, um unsere ganze Umwelt im Kopf abzubilden.

Wie machen wir das?

Indem wir den Schall in verschiedene Frequenzen, aber auch verschiedene zeitliche Schwankungen und Herkunftsrichtungen zerlegen. Daraus entsteht das innere Abbild, auf dem wir mit unserem Wissen, unserem Denkvermögen und unserer ganzen Sozialisation aufsetzen.

Wie kommt es, dass immer mehr Menschen hörgeschädigt sind?

Weil wir immer mehr altern. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen hat jeder zweite einen behandlungsbedürftigen Hörverlust. Europaweit sind es etwa 18 Prozent der Bevölkerung.

Wie viele tragen ein Hörgerät?

Geschätzt gibt es weltweit 50 Millionen Hörgeräteträger. In Deutschland bräuchten 15 Millionen ein Hörgerät, aber nur etwa 20 Prozent davon haben eins. Dabei sind die Hörgeräte heute sehr leistungsfähig geworden, sehr klar, sehr klein. Die nächste Innovation sind die binauralen Geräte, wo man verstärkt auf das zweiohrige Hören setzt.

Sie sagen gern, dass in 80 Prozent aller Hörgeräte ein Stück Oldenburg steckt. Wieso denn das?

Ich habe bisher 48 Leute promoviert und die Hälfte hat eine leitende Position bei Hörgeräteherstellern, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Außerdem machen alle Hersteller vor der Markteinführung ihre Tests an Patienten bei uns.

Wo findet Ihre Hörforschung noch Anwendung?

Mit unseren Hörmodellen sind wir weltweit führend. Damit kann man vorhersagen, in welcher Qualität Signale im Gehör ankommen, um die Übertragung bei Hörgeräten oder generell bei Sprachtechnologie zu verbessern, zum Beispiel im Computer, beim Telefon oder MP3.

Ihr Rat an die, die sich gutes Hören erhalten wollen?

Bewusst auf das Hören hören. So kann ich das Gehör trainieren oder Defizite erkennen. Wenn man sich über sein Hörvermögen unsicher ist, empfehle ich unseren Hörtest per Telefon. Entscheidend ist, frühzeitig anzufangen mit einer Hörgeräteversorgung. Gut wäre es, wenn ein Hörgerät so selbstverständlich würde wie es heute Kopfhörer sind.

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